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Internationale Tagung zum Europäischen Privatrecht an der RUB
Am 22./23. Juni 2023 war die Ruhr-Universität Bochum Schauplatz einer internationalen Konferenz zum Thema „Spillover Effects of the Implementation of EU Law – A Threat to the Coherence of National Private Law?“ Die Tagung wurde von Matteo Fornasier zusammen mit Fabian Klinck (ebenfalls Ruhr-Universität Bochum) und Giovanni De Cristofaro (Universität Ferrara) veranstaltet.
Der Begriff der spillover effects wurde im Kontext des EU-Rechts vor zehn Jahren maßgebend von Angus Johnston (Universität Oxford) geprägt, der ebenfalls zu den Teilnehmern der Tagung zählte. Gemeint sind damit Konstellationen, in denen die EU-Mitgliedstaaten - autonom handelnd - im Rahmen ihres nationalen Rechts den Anwendungsbereich europäischer Rechtsakte auf Sachverhalte ausweiten, die außerhalb des Regelungswillens des Unionsgesetzgebers liegen. Beispiele sind etwa die überschießende Richtlinienumsetzung oder die Verweisung auf EU-Verordnungen außerhalb ihres eigentlichen Geltungsbereichs.
Welche Folgewirkungen haben solche spillover effects für die nationale und die europäische Rechtsordnung? Tragen spillover effects zur Kohärenz des nationalen Privatrechts bei oder sorgen sie in Gegenteil eher für mehr Rechtszersplitterung? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt der Tagung.
Europäische Menschenrechtskonvention und Privatrecht
Seit der Leitentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall Marckx ./. Belgien aus dem Jahr 1979 steht fest, dass die Schutzgarantien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auch im Verhältnis zwischen Privaten von Bedeutung sind. In den letzten zwei Jahrzehnten hat der EGMR eine Fülle von Fällen mit privatrechtlichem Bezug entschieden.
Der von Matteo Fornasier und Maria Gabrielle Stanzione herausgegebene Sammelband The European Convention on Human Rights and its Impact on National Private Law – A Comparative Perspective beleuchtet diese Entwicklung.
Die einzelnen Beiträge untersuchen den Einfluss der EMRK auf zahlreiche Gebiete des Privatrechts: vom Familienrecht zum Arbeitsrecht, vom Medien- über das Datenschutzrecht bis hin zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Betrachtet werden außerdem die Wechselwirkungen zwischen Konventions- und innerstaatlichem Recht am Beispiel der deutschen und italienischen Rechtsordnung. Schließlich wird die rechtsvergleichende Methode des EGMR in den Blick genommen und der Frage nachgegangen, inwieweit die EMRK zur Harmonisierung des nationalen Privatrechts in Europa beitragen kann.
Das Buch ist aus einer Tagung hervorgegangen, die Matteo Fornasier und Maria Gabriella Stanzione im Sommer 2021 mit Unterstützung der DFG in der Villa Vigoni am Comer See veranstaltet haben.
Matteo Fornasier, Maria Gabriella Stanzione (eds.), The European Convention on Human Rights and its Impact on National Private Law – A Comparative Perspective, Intersentia, Cambridge 2023, XXX + 362 S.
White Paper „The Future of Labour Law“ veröffentlicht
Welchen globalen Herausforderungen sieht sich das Arbeitsrecht gegenüber? Diese Frage steht im Mittelpunkt des aktuell veröffentlichten White Paper „The Future of Labour Law“, das eine Gruppe internationaler Expertinnen und Experten, darunter Matteo Fornasier, ausgearbeitet hat.
Das Papier beruht auf zahlreichen Interviews, die die Mitglieder der Forschungsgruppe mit Vertreter:innen aus Wissenschaft und Praxis geführt haben. Es beleuchtet ein breites thematisches Spektrum, das von der Plattformarbeit über den Schutz von Beschäftigten in transnationalen Lieferketten bis hin zum Arbeitskollisionsrecht reicht.
Das White Paper zum Arbeitsrecht steht im Zusammenhang mit einer Serie ähnlicher Studien zu anderen Rechtsthemen, die von der International Law Association anlässlich des 150. Gründungsjubiläums der Organisation im Jahr 2023 in Auftrag gegeben wurden. Sie sollen den Anstoß zu einer breiten Diskussion über die Zukunft des Rechts auf internationaler Ebene geben.
Gastprofessur an der Universität Gent
Im akademischen Jahr 2022/23 hat Matteo Fornasier den Leerstoel Marcel Storme an der Universität Gent inne. Im Rahmen dieser Gastprofessur wird er im Oktober 2022 und im Frühjahr 2023 Vorlesungen zum Europäischen Vertragsrecht im juristischen Masterstudiengang der Uni Gent halten.
Der Gastlehrstuhl ist nach dem belgischen Juristen und Politiker Marcel Storme benannt. Als Rechtswissenschaftler hat sich Storme insbesondere der Harmonisierung des Zivilverfahrensrechts in Europa gewidmet.
Die Künstlersozialkasse als Instrument der Kunst- & Kulturförderung
In ihrem kürzlich erschienen Beitrag setzt sich Anna-Katharina Klus mit der Künstlersozialversicherung und der Künstlersozialkasse sowie mit ihrer jeweiligen kulturpolitischen Bedeutung auseinander. Hierfür zeigt sie zunächst die rechtlichen Voraussetzungen der Künstlersozialversicherung auf, um sodann den Bogen zur kulturpolitischen Bedeutung der Künstlersozialkasse zu spannen und ihre Funktion als Instrument der Kunst- & Kulturförderung herauszuarbeiten.
Der Handbuchbeitrag ist nun bereits als Online-First -Version über die Springer Datenbank sowie über Bibliotheksdatenbanken an Hochschulen und digitale Fachbibliotheken in Institutionen abrufbar. Eine Printversion des Handbuchs wird voraussichtlich 2023 erscheinen.
Anmerkung zum Urteil des BGH vom 29.07.0221 – III ZR 179/20
In der RUB RR 2021, 35 erschien eine Anmerkung von Paula Nolte zum Urteil des BGH vom 29.07.2021 – III ZR 179/20. In diesem Urteil befasste sich der BGH mit den Ansprüchen eines Nutzers gegen die Anbieterin eines sozialen Netzwerks wegen Löschens von Beiträgen und Sperrung des Kontos.
Die Anwendung der europäischen Klauselrichtlinie im Bereich des vollharmonisierten Vertragsrechts
Im Verfahren DenizBank (Rs. C-287/19) musste der EuGH das Verhältnis zwischen der europäischen Klauselrichtlinie und der Zahlungsdiensterichtlinie klären. Letztere soll das Zahlungsdiensterecht in Europa vollständig harmonisieren. Der Gerichtshof entschied, dass die Klauselrichtlinie auch im Geltungsbereich der Zahlungsdiensterichtlinie anwendbar ist. Somit müssen Klauseln in Zahlungsdiensteverträgen den Anforderungen nicht nur der Zahlungsdiensterichtlinie, sondern auch der Klauselrichtlinie genügen.
In einem kürzlich erschienen Beitrag zeigt Matteo Fornasier auf, dass der Gerichtshof nicht zum ersten Mal die Klauselrichtlinie im Geltungsbereich des vollharmonisierten europäischen Vertragsrechts als ergänzendes Instrument des Verbraucherschutzes heranzieht. Der Autor sieht die Rechtsprechung des EuGH kritisch: Da die Klauselrichtlinie lediglich mindestharmonisierender Natur sei, führe ihre Anwendung im Bereich des vollständig harmonisierten Vertragsrechts zu Friktionen mit dem Rechtsvereinheitlichungswillen des Unionsgesetzgebers.
Matteo Fornasier, Die Anwendung der Klauselrichtlinie im Bereich des vollharmonisierten europäischen Vertragsrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 2022, 439 - 455.
Neuauflage des Münchener Kommentars zum BGB erschienen
Anfang Mai erschien der zweite Band des Münchener Kommentars zum BGB in der 9. Auflage. Matteo Fornasier kommentiert darin Vorschriften des AGB-Rechts.
Die Neuauflage der Kommentierung berücksichtigt insbesondere die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zur europäischen Klauselrichtlinie und nimmt die Folgen dieser Judikatur für das nationale Recht in den Blick. Im Bereich des Bankrechts sind Erläuterungen zur formularmäßigen Vereinbarung von „Negativzinsen“ neu hinzugekommen.
Matteo Fornasier, Kommentierung der §§ 305 bis 306a BGB, § 307 BGB (Abschnitt: AGB der Kreditwirtschaft), § 310 BGB, in: Franz Jürgen Säcker, Roland Rixecker, Hartmut Oetker und Bettina Limperg (Hg.) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Recht, C.H. Beck, 9. Aufl. München 2022
Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 15.7.2021 – C-804/18, C-341/19
In der EuZA ist eine Urteilsanmerkung von Anna-Katharina Klus zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15.7.2021 – C-804/18, C-341/19 in den verbundenen Rechtssachen WABE und MH Müller Handel erschienen.
In dieser Entscheidung befasst sich die Große Kammer des Gerichtshofs abermals mit der diskriminierungsrechtlichen Wirkung von sogenannten Kopftuchverboten in der Privatwirtschaft. In ihrer Anmerkung widmet sich Anna-Katharina Klus dieser Entscheidung zum muslimischen Kopftuch aus intersektioneller Perspektive.
Forschung zum neuen Lieferkettengesetz
Nach zähem politischen Ringen wurde im Sommer 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Das Gesetz soll größere Unternehmen in die Pflicht nehmen, auf die Einhaltung menschenrechtlicher und umbeweltbezogener Standards in ihren Lieferketten zu achten.
Das Wissenschaftsmagazin Rubin berichtet in seiner Ausgabe vom November 2021 über die Forschung von Matteo Fornasier zum neuen Gesetz sowie zu ähnlichen Regelungsvorhaben im Ausland und auf europäischer Ebene.